Ob das Füttern von Vögeln im Winter sinnvoll oder notwendig ist, darüber wird seit vielen Jahren kontrovers diskutiert. Die Argumente sind dabei seit jeher die gleichen: Der Handel möchte seine Produkte verkaufen; Vogelfreunde plädieren für das Füttern, damit kein Vogel verhungert; andere Vogelfreunde und viele Artenschützer sind gegen das Füttern, weil damit nur wenige Standvogelarten unterstützt werden; Naturschützer möchten die Millionen, die jeden Winter für Vogelfutter ausgegeben werden, lieber in Schutzprojekte investieren; wieder andere Umweltschützer sprechen sich sogar für die natürliche Selektion durch das Winterklima aus. Wissenschaftlich nüchtern betrachtet, brauchen die Vögel im normalen Winter nicht gefüttert zu werden, da alle Tiere, die bei uns überwintern gut an diese Situation angepasst sind und die Winter der letzten Jahre messbar wärmer geworden sind, wodurch das Nahrungsangebot nicht mehr so eingeschränkt ist wie früher. Aber die erneuten Kälteinbrüche im Frühjahr sind in der Tat ein Problem für viele dann bereits zuückgekehrte Zugvögel. Insgesamt betrachtet spricht nichts gegen das richtige und angemessene Füttern. Aus erlebnispädagogischer Sicht ohnehin nicht.
Versuchen wird doch mal die gängigen Argumente aufzulisten:
contra
- von der Winterfütterung profitieren nur die häufigsten Brut- und Gastvögel der Region, das sind auch diejenigen, die eh am Besten an die vorherrschenden Witterungsbedingungen angepasst sind
- die bedrohten Arten, die man ja unterstützen möchte, kommen nicht oder nur extrem selten an die Futterstellen
- durch das Bereitstellen von Futter kommt es dort zu gehäuftem Auftreten von Individuen auf eng begrenztem Gebiet und es besteht die Gefahr das Krankheiten (z.B. Salmonellose) übertragen oder verschleppt werden und damit größeren Schaden anrichten
- flasch angebrachte Futterhäuschen ziehen locken auch viele Fressfeinde an, die die Besucher der Futterstelle weiter dezimieren
pro
- viele Zugvögel brauchen bei erneuten Kälteeinbrüchen sachgemäßes Futter um ihre auf dem Flug aus dem Winterquartiver verlorenen Reserven wieder aufzufüllen und die Kälteeinbrüche zu überstehen
- aufgrund der in letzter Zeit verlängerten Kälteperiode ist die Natur beim Eintreffen der zugvögel oftmals noch nicht so weit, wie sie sein sollte, so dass diese ihren erhöhten Nährstoffbedarf während des Brutgeschäfts mit natürlichen Ressourcen oftmals nur sehr schwer dekcne können.
- sachgemäße Fütterungen erreichen zwar nur wenige Vogelarten, aber sie schaden auch nicht
- Beobachtungen am Vogelhäuschen oder am Fensterbrett sind für viele Stadtmenschen oftmals die einzige Möglichkeit die Natur selbst hautnah zu erleben und (auch wenn es abgedroschen klingt) nur was man kennt, ist man auch bereit zu schützen
- das Beobachten macht viel Freude, insbesondere dann, wenn man dafür nicht stundenlang draußen in der Kälte ausharren muss, es ist also ein bequemes Naturerlebnis
Fazit
Sachgerechtes Füttern schadet nicht! Wirklich sinnvoll wäre aber eine ganzjährige Fütterung oder noch besser ein möglichst naturbelassener und abwechslungs Garten mit heimischen Früchten und Pflanzen, um möglichst vielen Vögeln dauerhaft zu helfen. Ansonsten bieten Futterstellen vor allem schöne Naturerlebnisse, und einen kleinen Eindruck der faunistischen Artenvielfalt unserer bedrohten Vogelwelt. Das vorrangige Ziel für den Schutz einer artenreichen Vogelwelt ist deshalb die Erhaltung von vielfältigen und gesunden Lebensräumen, nicht das Füttern im Winter. Trotzdem ist das Vogelhäuschen ein guter Einstieg in die Ornithologie, Vogelschutz, Tierschutz und/oder Naturschutz.
Es gilt also bei der Vogelfütterung einiges zu beachten:
Wann und wie sollte man füttern?
- nicht nur bei Extremwetterlagen, wie geschlossener Schneedecke, bei Vereisung/Eisregen und Dauerfrost, sondern möglichst langfristig
- maßvoll und regelmäßig füttern
- Futter unbedingt vor Nässe schützen
- Futterstelle vor Katzen schützen
- Futterplatz sollte Versteck- und Fluchtmöglichkeiten bieten (Gebüsche, Bäume in der Nähe), aber trotzdem überschaubar sein. Also nicht mitten im Gebüsch, sondern ein paar Meter entfernt, damit sich kein Räuber unbemerkt anschleichen kann
- Futter sauber halten, es darf kein Vogelkot ins Futter gelangen
- auf die Hygiene im und am Futterplatz ist zwingend zu achten, wenn Krankheiten auftreten, Fütterung einstellen und Futterstelle desinfizieren
- kein gesalzenes Futter verwenden
Was soll man füttern?
Grundsätzlich sollte nur naturbelassenes und qualitativ hochwertiges Futter verwendet werden. Wichtig ist, dass es weder gesalzen noch anderweitig behandelt ist. Wer ökologisch richtig handeln möchte, der sollte dringend auf Futterbestandteile verzichten, die aus fernen Ländern hierher transportiert werden, z. B. Palmöl oder Erdnüsse, weil diese auf dem Transportweg viel CO2 produzieren und oftmals in den Lieferländern wertvolle Landschaften zu Monokulturen umgebrochen werden.
Futtermischungen, die viele Getreidekörner enthalten, werden fast nur von Tauben und Sperlingen gefressen, daher sollten zur Förderung der Artenvielfalt am Futterhäuschen lieber mehr Sonnenblumenkerne und andere Samen den Hauptbestandteil des Vogelfutters ausmachen.
häufig empfohlene Futterbestandteile:
- für Körnerfresser (Vögel mit dickem, kräftigem Schnabel: Finken, Sperlinge, Meisen, etc.): Körnermischungen mit Hanf- und Sonnenblumenkernen; sie nehmen aber zusätzlich auch das Futter der Weichfresser
- für Weich- und Insektenfresser (Vögel mit spitzem, schlankem Schnabel: Amsel, Rotkehlchen, Star, etc.): Haferflocken, Beeren, Obst (muss nicht mehr im besten Zustand sein), Nüsse
Achten Sie beim Kauf von Vogelfutter auf die Qualität!
Noch mal zur Erinnerung: Winterfütterung ist kein Naturschutz! Allenfalls knapp zwei Dutzend Vogelarten kommen bei uns ans Futterhaus. Sie sind alle häufig und nicht gefährdet. Aber durch die Anleitung zum sachgerechten, und maßvollen Füttern kann dieser Wunsch in verantwortungsbewusste Bahnen gelenkt werden und vielleicht das Interesse der Menschen für den Naturschutz geweckt werden. Sinnvoller ist es vielfältige Lebensräume zu schützen und zu erhalten.